Wie alles begann… ein lüttjes Glückshuus am Steinhuder Meer

Von Claudia Günther
Bild vom Glückshuus mit Kunden davor
Bild vom Glückshuus mit Kunden davor

Am 5. August 2023 eröffneten wir – Lutz, mein Mann, Gianna, unsere Tochter und ich, Claudia – den wohl kleinsten und nachhaltigsten Buchladen Deutschland, „Dat lüttje Glückshuus“ in Steinhude Am 30. März 2024 folgte der große Buchladen „Dat Glückshuus“. Begonnen hatte

Aber begonnen hat alles viiiiiiieeeeeel früher.

Bei mir erwachte die Liebe zu Büchern bei gemeinsamen Bibliotheksbesuchen mit meinem Vater. Da war ich vier Jahre alt und konnte noch gar nicht lesen konnte. Lutz kam über die Liebe zum Papier, die bei ihm schon als Kind sehr ausgeprägt war, zum Buch. Der Same war gelegt. Als ich anfing zu studieren und die ersten Fachbücher in einer kleinen, etwas staubigen und mit Büchern vollgestopften Uni-Buchhandlung kaufte, keimte der Traum des eigenen Buchladens auf. Ich wusste damals: Irgendwann werde ich einmal einen wundervollen Buchladen haben.

Claudias Traeume

Es war so ein stiller, gemütlicher Traum.

Kennst du das?

Es gibt Träume, die drängeln sich nach vorne, sind sehr ungeduldig und wollen unbedingt schnellstmöglich erfüllt werden.

Und dann gibt es die, die in der hintersten Ecke deiner Seele schlummern und darauf warten, dass die Erfüllung beginnt. Diese Träume haben nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie sich erfüllen werden, wenn die Zeit reif ist. In dieser Gewissheit können sie einfach ganz entspannt abwarten.

So war das mit meinem Traum von der eigenen Buchhandlung. Er war immer da, aber er drängelte nicht. Manchmal, wenn ich in einer besonders schönen Buchhandlung war, erinnerte ich mich daran, aber die Zeit war wohl noch nicht reif, denn mein Traum zog sich wieder in seine Warteecke zurück.

So ähnlich war es auch bei Lutz.

Und das witzige ist, wir wussten voneinander überhaupt nicht, dass es diesen Traum gab. So konnte sich folgende Unterhaltung ergeben, nachdem ich vor ca. zwei Jahren einen leeren Laden in meiner Herzensheimat Steinhude entdeckte.

Ich: „Lutz, in Steinhude ist ein Laden zu vermieten.“

Lutz: „Aha.“

Ich: „Hey, da ist eigentlich nie ein Laden frei. Aber jetzt. Das wär doch was für uns.“

Lutz: „Ah ja, brauchen wir denn einen Laden?“

Bei der Frage von Lutz fällt mir auf, dass ich noch nie über den Traum vom eigenen Buchladen gesprochen habe. Ich will also gerade anfangen zu erklären, da passiert Folgendes.

Lutz: „Hm, es sei denn, wir eröffnen einen Buchladen.“

Ich – völlig perplex, weil ich den Buchladen ja noch gar nicht erwähnt hatte: „Wie kommst du denn jetzt auf einen Buchladen?“

Lutz: „Ach weißt du, das ist ein ganz alter Traum von mir.“

Ich: „Von dir? Das ist MEIN Traum seit ich zwanzig bin.“

Lutz: „Nee, das ist seit über zwanzig Jahren MEIN Traum.“

Hintergrundinfo:

 

Wir sind eigentlich beide Trainer und Coach und arbeiten für Bildungsträger und Unternehmen in deren Räumlichkeiten. Wir brauchen also eigentlich keinen Laden.

Und dann haben wir uns erst einmal kaputtgelacht und uns die jeweiligen Buchladenträume vorgestellt.

Ab diesem Moment war klar – jetzt ist die Zeit reif. Der Buchladen darf genau jetzt entstehen.

Wenn ihr jetzt denkt, super, dann haben sie den Laden gemietet und los gings – nee, nee – so einfach war es dann doch nicht.

Das freie Ladenlokal und weitere Ladenlokale, die wir besichtigten, hatten immer irgendwelche Problematiken. Zu klein, zu groß, zu teuer, zu abgerockt, Vermieter nicht zu erreichen, Vermieter zu spät erreicht, Ladenlokal gerade weg, Vermieter kann sich nicht entscheiden, ob er einen Buchladen will oder lieber eine Gastronomie reinnimmt usw.

Es war wie verhext, es gab einfach kein Ladenlokal für uns. Irgendwann saßen wir bei der Wirtschaftsförderung in Wunstorf und dort wurde in einem Nebensatz das alte Fahrkartenhäuschen der Berufsschiffer erwähnt.

„Aber das ist ja viel zu klein für einen Buchladen.“

„Ja, das stimmt, viel zu klein.“ hörten wir uns sagen.

Trotzdem waren wir wenige Tage später vor Ort und vermaßen das kleine Häuschen mit Schritten.

„Ja, es ist wirklich viel zu klein für einen Buchladen. Schade.“

„Ja, schade. – Wobei… was wäre, wenn wir den kleinsten Buchladen Deutschlands eröffnen.“

Hm. Der kleinste Buchladen Deutschlands… nicht schlecht.“

„Ja.“

„Hm. – Los, lass uns die Wirtschaftsförderung anrufen und nochmal nachfragen.“

Lutz vor dem lüttjen Glückshuus

Das war im Mai 2023 und dann begann ein Marathon an: Kontaktdaten erfragen, Kontakt aufbauen, Idee vorstellen, Häuschen von innen besichtigen, Konzept einreichen, verhandeln, modifizieren und und und.

Mitte Juli ist endlich klar, wir können das Häuschen mieten, allerdings gibt es keine Heizung, daher wird es ein reines Saisongeschäft – aber egal, wir sind wild entschlossen. Dann eben eine Saisonbuchhandlung von März bis Oktober. Besser als nichts! Wir starten schnellstmöglich, Anfang August, dann haben wir noch drei Monate Saison.

Als wir Mitte Juli Kontakt zum Buchgroßhandel aufnehmen, die nächste Ernüchterung: Bis wir als Kunden eingerichtet sind, alle Formalitäten erledigt sind und die ersten Bücher geliefert werden können, dauert es ca. 8 Wochen.

8 Wochen!

Wir haben doch nur noch rund 14 Wochen Zeit bis zum Saisonende.

Das macht gar keinen Sinn.

Oh nein.

Traum geplatzt?

Auf gar keinen Fall!

Dann muss es eben anders gehen. Ein neues Konzept muss her. Wie können wir Bücher verkaufen, ohne Bücher vom Großhandel zu bekommen?

Wir überlegen hin und her.

Und dann die Idee: 

***Second-hand-bookstore***

Es ist doch wirklich schade, dass die meisten Bücher nur ein einziges Mal gelesen werden und dann wie neu ins Regal wandern, um dort zu vergilben und zu verstauben. Was für eine Ressourcenverschwendung.

  • Wir eröffnen eine Second-hand-Buchhandlung.
  • An der Promenade in Steinhude.
  • In einem winzigen ehemaligen Fahrkartenhäuschen.

Welch grandiose Idee!

Die meisten Menschen, denen wir das erzählten, fanden die Idee schlichtweg verrückt. Wir haben es trotzdem getan.

Mit ca. 50 eigenen Second-hand-Büchern und einem Aufruf in der Presse, eine Woche vor der Eröffnung, dass wir gut erhaltene gebrauchte Bücher in Kommission nehmen, für den halben Neupreis verkaufen und der Buchbringer 50 % des Verkaufserlöses erhält.

Einfach • fair • nachhaltig

Wir wollten samstags eröffnen und hatten in der Presse angegeben, dass wir am Donnerstag und Freitag davor Bücher entgegennehmen. Ich weiß noch, wie wir am Donnerstag gespannt warteten. Und dann kamen die Menschen mit ihren Büchern. Wir nahmen so viele Bücher entgegen, dass unser kleines Fahrkartenhäuschen picke-pack-voll war und wir am Samstag eine fulminante Eröffnung der „wohl kleinsten und nachhaltigsten Buchhandlung Deutschlands“ feierten. „Dat lüttje Glückshuus“ war eröffnet.

Es folgten aufregende Wochen mit vielen Büchern, wundervollen Gesprächen, tollen Kunden und Buchbringern und dem zauberschönsten Arbeitsplatz der Welt. Im lüttjen Glückshuus schaut man durch Bücher aufs Steinhuder Meer – es ist einfach traumhaft schön. Da ließ es sich auch verkraften, dass wir vorübergehend eine 7-Tage-Arbeitswoche hatten, denn unsere Haupttätigkeiten liefen wie gewohnt weiter, „Dat lüttje Glückshuus“ war unser Wochenendprojekt.

Die Idee der Nachhaltigkeit wurde sehr gut angenommen und wir bekamen Bücher aller Genres gebracht. Romane aller Art – vom Thriller, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, über Krimis mit und ohne Regionalbezug, bis hin zu herzergreifenden Liebesromanen und historischen Romanen. Kinder- und Jugendbücher für alle Altersklassen. Koch- und Bastelbücher, Sachbücher, Ratgeber und Fachliteratur für die interessantesten Bereiche. Nach und nach stellten wir fest, welche Bücher sich gut verkaufen. Kleine Bücher besser als große. Aktuellere Bücher besser als ältere. „Leichte Kost“ besser als tiefe Themen. Interessanterweise gingen Kochbücher gar nicht. In Steinhude macht man Urlaub, da wird nicht gekocht, ist mittlerweile unsere Theorie.

Das Verkaufen von Büchern klappte also schon einmal, nun wollten wir mehr Buchladenflair haben. Für uns gehören zu einer guten Buchhandlung auch Lesungen. Aber auf 14 qm eine Lesung abhalten, dafür ist der Laden ja viel zu klein…

Das mit dem „viel zu klein“ konnte uns schon beim ersten Mal nicht aufhalten, also war mal wieder Kreativität gefragt. Wir vermaßen den Laden mal wieder und die erste Idee waren Lesungen für Kinder.

Kleiner Laden – kleine Leute, ist doch logisch.

Auf 14 qm bekommt man doch einige kleine Menschen unter, die es sich auf Kissen auf dem Fußboden bequem machen können.

Gedacht – getan.

Unsere Seifenblasenmaschine kündigt fortan am Wochenende in den Ferien um 14 Uhr die Kinderlesung an. Lustigerweise sitzen meistens die Kinder auf der Bank im Laden und die Eltern auf Kissen auf dem Fußboden. Auf jeden Fall haben alle eine Menge Spaß und lauschen den Geschichten vom „Zauberer Kotzmotz“ oder „Juli“, „Liliane Susewind“ oder „Petronella Apfelmus“.

Hm, wenn das mit den Kindern und Eltern geht, dann sollte doch auch eine Lesung für Erwachsene möglich sein. Eine kleine Lesung eben, mit nur wenigen Gästen. Wieder einmal zückten wir den Zollstock und planten mit klappbaren Gartenstühlen. Zehn erwachsene Personen passen dichtgedrängt ins „lüttje Glückshuus“. Na dann! „Spannende Geschichten zum Sonnenuntergang“ nannten wir die Lesung und waren in kürzester Zeit ausverkauft. Mit Warteliste! Bei Snacks und Getränken lasen wir an einem Abend im September zehn Menschen unsere Geschichten vor – ach, das habe ich noch gar nicht erwähnt – wir schreiben auch. Lutz ist in der Fantastik daheim und schreibt wunderbare Kurzgeschichten, ich selbst Sach- und Kinderbücher. Auf jeden Fall haben wir gelesen und geredet und sind mit allen Gästen zum Sonnenuntergang vor das Glückshuus zum Fotografieren. Es war großartig und wieder einmal bekamen wir so wertschätzende Rückmeldungen.

So erlebten wir einen wirklich grandiosen Buchsommer, führten viele schöne Gespräche mit unseren Kunden, erzählten unsere Geschichte vom Traum des Buchladens und wie aus der ursprünglichen Idee des „normalen“ Buchladens, der wohl kleinste und nachhaltigste Buchladen Deutschlands wurde. Wir wurden interviewt, von Buchbloggern besucht und sogar als Reiseerinnerung fotografiert.

 

Claudia und Lutz vom Glückshuus

Manche Besucher fragten uns, ob wir denn immer noch den großen Buchladen eröffnen wollten. Da brauchten wir nicht lange überlegen – „Ja, klar!“

Im Oktober, als die Saison des „lüttjen Glückshuuses“ zu Ende ging, machte uns eine Kundin mit den Worten:

„Ihr wollt doch einen großen Laden, dann aber mal los!“

darauf aufmerksam, dass der „Internationale Buchladen“ zu vermieten sei.

Wir zögerten nicht lange, nahmen Kontakt zum Besitzer des Ladens und zum Vermieter auf und waren schon bald um einen großen Buchladen reicher.

Doch auch hier lief nicht alles glatt.

Vom holperigen Start des grooten Glückshuuses liest du hier: Dat Glückshuus entsteht.

Dat lüttje Glückshuus in der Presse: